Ab nach links: Jeremy Corbyn ist neuer Chef der britischen Labour-Partei

14.09.2015 12:15

Nach Jahrzehnten gemäßigter Mitte haben die Mitglieder der Labour-Partei gestern einen neuen Vorsitzenden gewählt. Sein Name: Jeremy Bernard Corbyn. Seine Ausrichtung: Ganz weit links.  Seine Hintergrund: Alteingesessener Aktivist seit den 1980er Jahren, Kämpfer für Menschenrechte, gegen Atomwaffen, für hohe Spitzensteuersätze und die Wieder-Verstaatlichung einiger in den 80ern und 90ern privatisierter Unternehmen wie z.B. die Bahn.

Trotz seines jüngsten Erfolges spaltet Corbyn die Geister wie kaum jemand vor ihm. Bis vor wenigen Monaten galt er als unwählbarer Außenseiter im Rennen um den Posten des Labour-Chefs. Dann ließ er seine moderaten GegenkandidatInnen  immer weiter zurück bis schließlich das Ergebnis von Samstag feststand: 59,9% der Stimmen für Corbyn. Seine drei KonkurrentInnen lagen bei eher mickerigen Anteilen zwischen 19% und 4,5% und die BBC attestierte Corbyn sogleich „ein felsenfestes Mandat“.

59,9% - das konnte selbst Tony Blair, everyone’s darling der 1990er, nicht erreichen. 1994 war Blair mit 57% der Stimmen zum Partei-Vorsitzenden der Labour Partei gewählt worden.

However (wie die Briten nun sagen würden), sind die Gegenstimmen laut und mitunter aggressiv. Tony Blair, der die Partei seinerzeit in die „neue Mitte“ gerückt und den Begriff „New Labour“ geprägt hatte, zeigte sich von jeher als einer der größten Gegner Corbyn’s. Während der Wahlkampagne äußerte er sich mit vernichtenden Worten und warnte vor einer Zerstörung der Partei, falls Corbyn das Ruder übernehmen sollte. Zentrale Labour-Parlamentarier, wie der Gesundheits-Beauftragte Jamie Reed oder der Bildungsveranwortliche Jeremy Hunt haben kurz nach der Wahl ihren sofortigen Rücktritt angekündigt. Auf der anderen Seite unterstützen Prominente wie Brian Eno, Billy Bragg oder Charlotte Church den neuen Partei-Vorsitzenden und hielten im Vorfeld der Wahlen leidenschaftliche Reden für die Politik Corbyn’s.

„Jeremy Corbyn’s victory in the Labour leadership election represents – depending on one’s perspective – either the rebirth of the party and the final demise of the careerists who led it astray, or, the deepest crisis in its 115-year history.” („Jeremy Corbyn’s Sieg in der Wahl um den Labour Vorsitz bedeutet – je nach Standpunkt – entweder die Neugeburt der Partei und den endgültigen Untergang jener Karrieristen, die sie von ihrem eigentlichen Weg abbrachte, oder aber die größte Krise in der 115-jährigen Parteien-Geschichte.“), schreibt Tom Quinn in dem Nachrichten Portal “The Conversation“ und bringt die Diskussionen um den Überraschungssieger und neuen Labour-Chef damit auf den Punkt.